Hermann Hoberg, Inventario dell'Archivio della Sacra Romana Rota (Sec. XIV.-XIX.)

A cura di Josef Metzler. Città del Vaticano: Archivio Vaticano 1994. Brosch. 212 S.

Die Rota war jener universale Gerichtshof der römischen Kurie, der sich seit dem 13. Jahrhundert aus den zu ständigen Auditoren ernannten rechtskundigen Kaplänen des Papstes entwickelt hatte. Durch die Konstitution "Ratio iuris" Johannes' XXII. erhielt dieser Gerichtshof in Avignon 1331 seine erste gesetzlich festgelegte Organisation. Der Wortlaut dieser Konstitution läßt allerdings darauf schließen, daß es sich dabei um eine gesetzliche Festlegung längst geübten Gebrauches handelte. Die Bezeichnung Rota taucht nach dem Stand der Forschung 1336 das erste Mal auf. Die öffizielle Bezeichnung war audientia oder auditorium sacri palatii (oder causarum sacri palatii). Die Rota hatte nicht nur durch ihre universale, zumindest in geistlichen Angelegenheiten die gesamte damalige Welt umfassende Zuständigkeit weit über den kirchlichen Bereich hinaus Einfluß auf die europäische Rechtsentwicklung. Auch zu einer Zeit, als ihre Zuständigkeit praktisch auf den Kirchenstaat begrenzt war und nur relativ wenige Fälle in geistlichen Angelegenheiten aus dem übrigen Europa anhängig waren, behielt sie wegen ihrer Zusammensetzung und des Gewichts ihrer Entscheidungen noch lange ihre Strahlungskraft. Der Abstieg begann Ende des 16. Jahrhunderts durch die Kurienreform Sixtus' V., die durch die Schaffung neuer Kardinalskongregationen in den Zuständigkeitsbereich der Rota eingriff. Das 17. Jahrhundert brachte aber immer noch eine beträchtliche Zahl geistlicher Falle aus der iberischen Halbinsel, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich sowie den nicht zum Kirchenstaat gehörenden Gebieten Italiens, was schon ein kurzer Blick in die nach Diözesen geordneten Verzeichnisse der Decisiones recentiores beweist. Im 18. Jahrhundert war die Rota dann praktisch nur noch Appellationsgerichtshof für die Rechtsstreitigkeiten aus dem Kirchenstaat. Mit dem Untergang des Kirchenstaates stellte sie am 20. September 1870 ihre Tätigkeit ein. Das Richterkollegium blieb bestehen und wurde mit anderen Aufgaben betraut. Durch die Bulle "Sapienti consilio" vom 29. Juni 1908 lebte die Rota wieder auf und ist heute praktisch das Appellationsgericht dritter lnstanz für die Weltkirche in Ehenichtigkeitssachen.

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Die lange anhaltende Strahlungskraft der Rota ist ganz besonders auf zwei Faktoren zurückzuführen. Erstens waren die bedeutenderen europäischen Staaten berechtigt, Auditoren zu benennen, und zweitens waren die Decisionen der Rota in zahlreichen Handschriften und Drucken in ganz Europa verbreitet. Auch die meisten deutschen und österreichischen Bibliotheken besitzen zahlreiche Bände Decisionen. Neben der Rechtsprechung in der Sache hatte aber auch das Verfahren der Rota Einfluß auf die europäische Rechtsentwicklung. Dies gilt z. B. für das Verfahren am Reichskammergericht. Rotaurteile mußten zu einer Zeit schon rechtlich begründet werden, in der von einer allgemeinen Begründungspflicht gerichtlicher Entscheidungen noch nicht die Rede war.

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Um so bedeutender ist es, daß nunmehr in der zu rezensierenden Arbeit ein Inventar des Archivs der Römischen Rota, das sich im Vatikanischen Archiv in Rom befindet, vorliegt. Hohberg hat viele Jahrzehnte seines Lebens im Vatikanischen Archiv zunächst als Archivar und später als Vizepräfekt und als Emeritus gearbeitet. Einen Großteil seiner Arbeit hat er der Sichtung, Ordnung und Aufarbeitung des Archivs der Rota gewidmet. Die vorliegende Arbeit, posthum erschienen, ist Frucht dieser Tätigkeit. Wer einmal im Vatikanischen Archiv gearbeitet hat, der weiß, welche Bedeutung Hohberg für die Forschung gehabt hat. Immer freundlich, stets hilfsbereit, hat er viele Arbeiten, nicht nur aus dem deutschen Sprachraum, mit unendlicher Geduld begleitet. Das vorliegende Buch beginnt deshalb mit einer Erinnerung an den Vizepräfekten. Dem folgen ein Lebenslauf und eine Bibliographie des Verstorbenen. Dann wird die Geschichte der Rota kurz umrissen. Auf S. 19-50 findet sich eine Geschichte des Archivs der Rota, an der Hohberg bis zu seinem Tode gearbeitet hat. Das Rotaarchiv besteht im wesentlichen aus drei Archiven, wie Hohberg schreibt: dem Geheimarchiv, dem Archiv der Notare und dem Archiv der Dekane. Außer vereinzelten Hinweisen wird allerdings zuwenig deutlich, daß Rotabestände sich auch in anderen Archiven befinden. Dies konnte ich bei meinen Forschungen im Archivio di Stato in Rom und in der Vatikanischen Bibliothek feststellen. Eine Beschreibung dieser Bestände müßte sich irgendwann einmal anschließen.

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Auf S. 51ff. werden die verschiedenen im Vatikanischen Archiv befindlichen Bestände besprochen: I. Manualia actorum et citationum (1464-1800). II. Diaria. 1. Diari privati (1566-1870). 2. Diari di camerlenghi (1688-1893). 3. Diari decanali (1590-1886). III. Positiones (1627-1870). IV. Processus actorum (1500-1798). V. Decisiones (1511-1859). VI. lura diversa (1512-1882). VII. Seria Minori. 1. Commissiones (1480-1792). 2. Informationes (1626-1669). 3. Peritiae (1670-1863). 4. Vota (1626-1870). 5. Sententiae (1474-1803). 6. Processus in admissione auditorum (1492-1908). VIII. Miscellanea. IX. Appendix.

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Nicht alle Bestände können hier besprochen werden. Die ältesten gehen auf das Jahr 1464 zurück. Es handelt sich dabei um die Manualia. Aber bereits 1474 setzt die Reihe der Sententiae und 1480 jene der Commissiones ein. Das Gros der Bestände stammt aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Einer der Wichtigsten sind die Decisiones. Sie sind größtenteiIs auch gedruckt worden. Der einzelne mit dem Fall betraute Auditor war verpflichtet, vor Erfassung eines Urteils das consilium der Mitauditoren einzuholen und dieses consilium seinem Urteil zugrunde zu legen. Dies schreiben die Päpste seit Johannes XXII. immer wieder vor. Später wurde die Entscheidung des Auditorenkollegiums auch als conclusio oder dann einfach als decisio bezeichnet. Wesentlich ist jedoch nicht die jeweilige Bezeichnung, sondern die Tatsache, daß es sich um Entscheidungen des Kollegiums handelt. Diese wurden bereits im 14. Jahrhundert mehrfach gesammelt und mit Begründungen oder sonstigen juristischen Erörterungen versehen. Später wurde es dann üblich, daß die Auditoren eigene Bücher führten, in denen sie die Entscheidungen der Rolle anderer Auditoren, aber auch ihre eigenen verzeichneten und mit den in der Sitzung diskutierten Gründen und rechtlichen Erwiderungen versahen. Diese als libri particulares auditorum bezeichneten Bücher sind seit dem Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar. Der nächste Schritt war dann, daß die Entscheidung der Rota, nun immer ausführlicher mit tatsächlichen und rechtlichen Gründen versehen, den Parteien zugestellt wurde. Dies ist der Typ der Decisio coram, der schon im 16. Jahrhundert feststellbar ist. Der Auditor hatte über Ansuchen der Parteien diesen eine Kopie der Decision mit den tatsächlichen und rechtlichen Gründen zuzustellen. Dieser Gerichtsgebrauch ist 1561 schon älteren Datums. Die Decisionen der Rota wurden, wie schon eingangs betont, dann auch gesammelt und gedruckt und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

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Die vorliegende Arbeit stellt in dem Inventarteil (1-IX) den Druck der im Registersaal (Sala dei Registri) des Vatikanischen Archivs aufgestellten Inventare der einzelnen Bestände dar. Sie bietet damit den Vorteil, daß man jetzt auch zu Hause, am Schreibtisch, seine Konsultationen im Vatikanischen Archiv vorbereiten kann.

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Das Buch kann nicht hoch genug geschätzt werden, weil es die im Vatikanischen Archiv befindlichen Bestände eines Gerichts aufschlüsselt, dessen enorme Bedeutung für die kirchliche Rechtsentwicklung und dessen Einfluß auf das staatliche Recht heute unbestreitbar ist. Die Arbeit ist daher jedem zu empfehlen, der sich mit der Geschichte des Prozeßrechts oder mit der Geschichte des Kirchenrechts auseinandersetzt und gewillt ist, nicht nur Sekundärliteratur zu benutzen, sondern in die Quellen einzusteigen. Möge damit der Erforschung der Römischen Rota neuer Auftrieb gegeben werden.

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Richard Puza